Folge 25 - Kniegelenk

Das Kniegelenk ist eines der größten und komplexesten Gelenke des menschlichen Körpers. Es verbindet den Femur mit der Tibia. Anatomisch betrachtet handelt es sich um ein zusammengesetztes Gelenk aus zwei Teilgelenken, welche von einer gemeinsamen Gelenkkapsel umschlossen werden.

Folge 25 - Kniegelenk

Anatomie und Funktion

Gelenktyp und Beweglichkeit Das Kniegelenk ist funktionell ein Drehscharniergelenk (Trochoginglymus). Es ermöglicht:

  • Extension (Streckung) und Flexion (Beugung)
  • In gebeugter Stellung: Rotation um die Längsachse des Unterschenkels

Bei der Beugung rollt der Femur auf dem Tibiaplateau nach hinten ab und gleitet gleichzeitig nach dorsal. Die Patella verschiebt sich dabei nach kaudal. Diese Mechanik sorgt für gleichmäßige Druckverteilung, schützt die Knorpelstrukturen und stabilisiert das Gelenk.Gelenkpartner und Gelenkflächen Am Aufbau beteiligt sind:

  • Femurkondylen: Die distalen Gelenkfortsätze des Oberschenkelknochens, dorsal durch die Fossa intercondylaris getrennt, in der die Kreuzbänder verlaufen
  • Tibiakondylen: Die Gelenkfortsätze des Schienbeins, die das Tibiaplateau bilden. Die mediale Kondyle ist schwach konkav, die laterale in der Mitte flacher und leicht konvex
  • Patella: Das größte Sesambein des Körpers, eingebettet in die Sehne des M. quadriceps femoris. Sie gleitet in der Facies patellaris des Femurs und ermöglicht eine effektive Kraftübertragung

Die Gelenkflächen sind mit bis zu 7 mm dickem hyalinem Knorpel bedeckt. Trotzdem bleibt eine Inkongruenz bestehen, die durch die Menisci ausgeglichen wird.

Menisci

Aufbau und Eigenschaften Zwischen den femoralen und tibialen Gelenkflächen liegen der mediale und der laterale Meniskus aus straffem Faserknorpel:

  • Medialer Meniskus: Offen-C-förmig; vorn und hinten an der Area intercondylaris der Tibia fixiert und mit dem Lig. collaterale mediale verwachsen – dadurch geringe Beweglichkeit
  • Lateraler Meniskus: Nahezu ringförmig/O-förmig; keine Verbindung zum lateralen Kollateralband, sondern elastisch über die Sehne des M. popliteus sowie die Ligamenta meniscofemoralia an Femur und Tibia aufgehängt – dadurch deutlich höhere Beweglichkeit, seltener isoliert verletzt

Funktion der Menisken

  • Kontaktflächenvergrößerung und geringere Flächenpressung
  • Dämpfung von Stoß- und Scherkräften
  • Führung und sekundäre Stabilisierung des Gelenks, besonders bei Flexion und Rotation
  • Propriozeption (Mechanorezeptoren) und Verteilung der Synovialflüssigkeit

Bandapparat

Der Bandapparat des Knies umfasst:

  • Ventrale Bänder: Sehne des M. quadriceps femoris, Lig. patellae
  • Kollateralbänder: Mediales (tibiales) und laterales (fibulares) Band zur Sicherung gegen Valgus- bzw. Varusstress
  • Dorsale Bänder: Lig. popliteum obliquum und arcuatum
  • Zentrale Bänder: Vorderes Kreuzband (Ligamentum cruciatum anterius, ACL) und hinteres Kreuzband (Ligamentum cruciatum posterius, PCL)

Die Kreuzbänder verhindern eine Verschiebung der Tibia gegenüber dem Femur in sagittaler Richtung.

Gelenkkapsel und Schleimbeutel

Die Gelenkkapsel ist geräumig und komplex aufgebaut. Besonders klinisch relevant ist der Recessus suprapatellaris – eine nach kranial reichende Ausbuchtung der Gelenkhöhle unter der Sehne des M. quadriceps femoris. Er ermöglicht Volumenverschiebungen bei Gelenkbewegungen.Bei einem Kniegelenkerguss füllt sich dieser Recessus mit Flüssigkeit. Dies führt zur "tanzenden Patella": Die Kniescheibe lässt sich durch Druck federnd nach unten drücken und scheint auf dem Erguss zu "tanzen".Weitere Schleimbeutel wie die Bursa infrapatellaris oder die Bursa m. poplitei schützen vor Reibung zwischen Sehnen, Muskeln und Knochen.

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Klinik

Das Kniegelenk ist eines der am häufigsten verletzten Gelenke. Typische Verletzungen sind:

  • Meniskusrisse
  • Bandrupturen
  • Luxationen
  • Degenerative Prozesse wie Gonarthrose

Kreuzbandriss (ACL-Ruptur) Eine besonders häufige und relevante Verletzung ist der Riss des vorderen Kreuzbandes. Dieser tritt häufig bei Sportarten mit abrupten Richtungswechseln, Sprüngen oder Körperkontakt auf – wie beim Fußball, Handball oder Skifahren.Klinische Zeichen:

  • Vorderes Schubladenphänomen: Bei gebeugtem Knie lässt sich der Unterschenkel vermehrt nach ventral verschieben
  • Patienten berichten über ein "Knacken" beim Trauma, gefolgt von Schwellung (Hämarthrose) und Instabilitätsgefühl

"Unhappy Triad" Eine besondere klinische Konstellation ist die "unhappy triad". Dabei kommt es durch ein Valgus-Außenrotations-Trauma typischerweise zu einer Kombination aus:

  • Ruptur des vorderen Kreuzbandes
  • Ruptur des medialen Kollateralbandes
  • Läsion des Innenmeniskus

Diese komplexe Verletzung ist häufig mit starker funktioneller Einschränkung verbunden und erfordert meist eine operative Versorgung.

Zusammenfassung

Das Kniegelenk ist ein anatomisch und funktionell komplexes Drehscharniergelenk aus dem Femorotibial- und dem Femoropatellargelenk. Aufgrund seiner langen Hebelarme, der geringen Weichteilabdeckung und der nicht exakt kongruenten Gelenkflächen ist es besonders verletzungs- und verschleißanfällig.Die Femurkondylen, Tibiakondylen und die Patella bilden zusammen mit dem dicken hyalinen Knorpel und den Menisken die gelenkbildenden Strukturen. Die Menisci gleichen die Inkongruenz der Gelenkflächen aus, dämpfen Belastungen und erhöhen die Stabilität.Das Kniegelenk ermöglicht Extension, Flexion sowie Rotation in Beugestellung. Die Stabilität wird durch ein komplexes System aus Kreuz- und Kollateralbändern gewährleistet. Die Gelenkkapsel mit ihren Schleimbeuteln, insbesondere dem Recessus suprapatellaris, ermöglicht Bewegungsfreiheit und Volumenanpassungen.Klinisch häufig sind Verletzungen wie der Kreuzbandriss oder die "unhappy triad". Eine genaue Kenntnis der Anatomie und Mechanik des Kniegelenks ist unerlässlich für präzise Diagnostik, wirksame Therapie und langfristige Prävention von Folgeschäden wie chronischer Instabilität oder frühzeitiger Arthrose.